50 Jahre Bildung!

Das Grimme-Institut feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Anlass für den Medienbildungshub, entlang ausgewählter Projekte und Aktivitäten zurückzublicken auf 50 Jahre Bildung in einem Institut, das eben nicht, wie gerne behauptet wird, primär gegründet wurde, um den Adolf-Grimme-Preis zu organisieren.

(zu Teil 1: „Modellversuch im Bildungswesen“ I zu Teil 2: Rundfunkdualismus und neue Medienwelten I zu Teil 4: „Stürmische Zeiten“ und Medienkompetenz in der Breite)

Teil 3
Von der DVV-Trägerschaft zur gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung

„Die ersten 25 [Jahre] waren vielleicht nicht immer einfach. […] Die zweiten 25 werden schwerer“[1], schrieb Norbert Schneider, damaliger Direktor der Landesanstalt für Rundfunk NRW, 1998 anlässlich des 25-jährigen Grimme-Jubiläums. Im Jahr zuvor war das Institut nach 24 Jahren alleiniger Trägerschaft durch den Deutschen Volkshochschul-Verband zur „gemeinnützigen Gesellschaft für Medien, Bildung und Kultur mbH“ mit mehreren Gesellschaftern umgewandelt worden – was gravierende Veränderungen nach sich zog.

Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Grimme-Instituts auf einer Wendeltreppe; Foto: Grimme-Institut / Michael Schnell

Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Grimme-Instituts auf einer Wendeltreppe; Foto: Grimme-Institut / Michael Schnell

Mit der Verbreiterung der Trägerschaft sollten der (inhaltliche) Handlungsspielraum des Instituts erweitert und das Profil geschärft werden: „Dabei steht die Umwandlung in eine GmbH in der Kontinuität der Arbeit der vergangenen 25 Jahre, die im Kern darin bestand, Kommunikation über die Rolle und Bedeutung der Massenmedien in einer demokratischen Gesellschaft herzustellen und zu organisieren.“[2]

Das Referat „Grimme Bildung“ sollte sich fortan „der Entwicklung und Förderung von Medienkompetenz in der öffentlich verantworteten Weiterbildung“ widmen.[3] Es nahm damit eine zentrale Rolle in der neuen Gesellschaft für Medien, Bildung und Kultur ein: „Die Entwicklung des Mediensystems bringt gerade für Bildung, Lernen und Qualifizierung eine Vielzahl neuer Herausforderungen und neuer Möglichkeiten mit sich. Dabei werden traditionelle Medienstrukturen überschritten […] und die Bildungsorganisation ‚entgrenzt‘ sich (zum Beispiel bei der Herausbildung neuer medialer Lernorte). Lernen und Bildung sehen sich somit nicht nur mit neuen Medientechniken und Medienangeboten konfrontiert, sondern mit der Genese einer völlig neuen Lern- und Kommunikationskultur.“[4]

In dieser Zeit entstand mit dem Medienpädagogischen Atlas NRW (MPA) als einer zentralen Anlaufstelle für alle, die Informationen über medienpädagogische Einrichtungen und Akteure in Nordrhein-Westfalen suchen, ein Projekt, das das Adolf-Grimme-Institut viele Jahre begleiten sollte. Insbesondere für die Kontaktaufnahme und Vernetzung untereinander war der MPA als ein wichtiges Instrument konzipiert. Die erste Auflage erschien dabei 1997 noch als Printversion[5] mit einer beiliegenden CD-ROM, später verlagerte sich der MPA als laufend aktualisiertes Angebot ins Netz.

„Lebenslanges Lernen“ im Kontext der neuen Medien

„Medienkompetenzvermittlung“ und „lebenslanges Lernen“ waren die Schlagworte, unter denen sich das Referat Bildung Ende der 1990er Jahre ausrichtete. Projekte wie die „Lernfeste“ (1998/2000)[6] vermittelten Bürger*innen einen erweiterten Bildungsbegriff, während der „Programmnavigator Bildung“ im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks (WDR) bildungsrelevante Formate für den Schulunterricht freigeben und so “Viel Futter für Lernhungrige“[7] bieten sollte. Etabliert wurde der Programmnavigator unter dem Namen „LernZeit“ und wurde später in WDR Wissen integriert. Bis 2015 fortgeführt, war er eines der langlebigsten Projekte des Grimme-Instituts. Sein Erfolg ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass sich das Internet Anfang der 2000er Jahre als Massenmedium durchsetzte, welches auch die Fernsehsender für sich zu nutzen wussten.

Ebenfalls in diese Zeit fällt der Grimme Online Award, der als publizistischer Internetpreis maßgeblich im Referat Bildung entwickelt und 2001 erstmalig verliehen wurde. Zeitgleich zeichneten sich in den Medienangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Veränderungen ab: Das Telekolleg wurde in Nordrhein-Westfalen unter anderem mit Unterstützung des Landesverbands der Volkshochschulen von NRW, des Westdeutschen Handwerkskammertags, des Städtetags Nordrhein-Westfalen und des WDR vom Webkolleg abgelöst. Im Fokus des 2003 gegründeten Online-Portals standen E-Learning-, Blended-Learning- und mobile Weiterbildungsangebote.

Screenshot der Website zum Grimme Online Award aus dem Jahre 2003

Screenshot der Website zum Grimme Online Award aus dem Jahre 2003

Mit den neuen Möglichkeiten eines computer- und internetgestützten Zugriffs auf Qualifizierungsinhalte rückten zudem kleine und mittelständische Unternehmen in den Fokus der Grimme Bildung: Was mit einer Studie zu „WBT in KMU“, also zu „Web-based Training in kleinen und mittelständischen Unternehmen“ begann, sollte Anfang der 2000er Jahre einen großen Teil der Arbeit des Referates ausmachen. Während man dem Webkolleg beratend zur Seite stand, wurden auf Basis der Befunde der Studie im Auftrag des Bundesinstituts für berufliche Bildung (BIBB) die großangelegten Modellversuche „eLearn – Interaktive Lernmedien in kleinen und mittleren Unternehmen“ (2001-2003) und „eLearn2 – Potenziale des E-Learning für kundenorientierte Bildungsleistungen“ (2004-2005) durchgeführt. Ziel der Modellversuche war es, Beispiele multimedialer Lernarrangements zu dokumentieren, die die notwendigen Rahmenbedingungen des erfolgreichen Einsatzes computergestützten Lernens benennen und illustrieren, um so kleinen und mittelständischen Betrieben durch konkrete Hilfestellungen die Gestaltung individuell angepasster Qualifizierungskonzepte zu erleichtern.

Auch der durch das Referat Bildung betreute Projektverbund „LERNET – Netzbasiertes Lernen in Mittelstand und öffentlichen Verwaltungen“ (2001-2005) lotete die Potenziale webgestützten Lernens aus. Hier entwickelten elf Projektkonsortien Blended-Learning-Angebote auf der Basis von Internet, Multimedia und Business-TV speziell für Mitarbeitende aus mittelständischen Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen. Entstanden sind dabei auf den Qualifizierungsbedarf und die spezifischen Anforderungen der Zielgruppen zugeschnittene multimediale Weiterbildungssysteme.

Konkrete Unterstützung für die schulische Bildungsarbeit

Medienbox Let's talk about Talk; Foto: Grimme-Institut / Michael Schnell

Medienbox „Let’s talk about Talk“; Foto: Grimme-Institut / Michael Schnell

Aber auch das Fernsehen sollte in der Bildungsarbeit des Instituts weiterhin eine große Rolle spielen: Der Rundfunkdualismus hatte neue Formate in die TV-Landschaft gespült, die Bildungsschaffende durchaus vor Herausforderungen stellten. So waren tägliche Talk-Sendungen im Nachmittagsprogramm insbesondere durch das Privatfernsehen und Sendungen bei RTL wie „Hans Meiser“ (ab 1992) und „Bärbel Schäfer“ (ab 1995) zu einem die TV-Landschaft prägenden Format geworden, standen aber wegen einiger Tabubrüche heftig in der Diskussion und riefen nicht nur den Kinder- und Jugendmedienschutz auf den Plan. Die Grimme Bildung bereitete die Daily Talks mit der Materialsammlung „Let’s talk about Talk“ (2000) für die pädagogische Praxis auf. Es war das erste Angebot, mit dem das Adolf-Grimme-Institut sich primär an Schulen wendete.

2002 folgte die „Bildbox für Millionen“, eine CD-ROM zur Fernseh- und Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem Projekt im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung betrat die Grimme Bildung Neuland: Der Datenträger – als Public-Private-Partnership mit einem renommierten Lernverlag realisiert – war netzwerkfähig und konnte damit hervorragend in den noch jungen Computerräumen bundesdeutscher Schulen eingesetzt werden. „Zum ersten Mal wird die deutsche Fernseh- und Mediengeschichte umfassend in Bild, Text und Ton präsentiert […] Jeder Bereich wird durch eine ereignisbezogene Video-Sequenz eröffnet. Eine Zeitleiste dokumentiert mediengeschichtliche Daten und Fakten durch die Jahrzehnte“, hieß es in der Zeitschrift des Journalistinnenbunds (Heft 46, Mai/Juli 2002). Die Praxis Politische Bildung 2/2002, die vom „Bundesausschuss Politische Bildung“ von 1999 bis 2010 herausgegeben wurde, schrieb: „Sehen die einen im Internet bzw. im Computer das neue Leitmedium, beharren andere darauf, dass dieser Rang nur dem Fernsehen zustehe, ‚das nach wie vor die Produktion und Rezeption unserer Medienlandschaft dominiert‘ – so jetzt das Adolf Grimme Institut in seiner aufwändigen (gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der learn online Scio GmbH realisierten) Produktion zur deutschen Mediengeschichte […] Die CD-ROM stellt für die medienpädagogische Arbeit eine wichtige Handreichung bereit, indem sie eine Fülle von Dokumenten, Materialien und Analysen anbietet und in relevanten thematischen Zusammenhängen aufbereitet […] Mit der CD-ROM liegt zweifellos ein ausgezeichneter Baustein für entsprechende Maßnahmen der politischen Bildung vor […] Die medienpädagogische Erschließung des flüchtigen Fernsehbilds kommt dank solcher Aufbereitung entscheidend voran […].“

Mit der Materialsammlung „schlagzeilen“ widmete sich die Grimme Bildung 2005, dieses Mal im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW, dem Thema Boulevardberichterstattung. Das Medienpaket richtete sich an Lehrkräfte der Klassen 7 bis 10 und an Pädagog*innen in der außerschulischen Bildungsarbeit: Warum sind die Inhalte der Boulevardformate so attraktiv? Und wie kann man lernen, diese zu beurteilen? Entlang ausgewählter Beispiele wurden die Funktionsweisen von Boulevardjournalismus in Print, TV und Internet analysiert und erläutert. Hintergrundreportagen und Interviews gaben Einsicht in die Perspektive der Macher*innen. Das Paket bestand aus einer DVD, einer Handreichung für Lehrende und einem Klassensatz Übungshefte und kam über bundesdeutsche Grenzen hinaus zum Einsatz.

Materialsammlung schlagzeilen; Foto: Grimme-Institut / Michael Schnell

Materialsammlung „schlagzeilen“; Foto: Grimme-Institut / Michael Schnell

Verweise

[1] 25 Jahre Adolf-Grimme-Institut. Herausgegeben vom Adolf-Grimme-Institut, Sonderausgabe „grimme“ vom 29.10.1998, S. 18.

[2] Dr. Juergen Krueger: Geschichte des Adolf-Grimme-Instituts Marl. 2. Teil. (Dokumentation im Rahmen des Insel-Arbeitskreises „Geschichtswerkstatt“). Marl 2010, S. 29.

[3] ebd., S. 29.

[4] ebd., S. 30.

[5] Medienpädagogischer Atlas Nordrhein-Westfalen. (LfR-Schriftenreihe Medienforschung, Bd. 24.) Opladen (Leske + Budrich), 1997.

[6] Mit der bundesweiten Koordination war das Adolf-Grimme-Institut durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung beauftragt worden.

[7] Tilmann P. Gangloff: Viel Futter für Lernhungrige. Aufwendige Internet-Angebote für die (Weiter-)Bildung: „Online-Forum Medienpädagogik“ und „LernZeit“. In: Frankfurter Rundschau vom 08.04.2000, Ressort „Schule und Hochschule“.