50 Jahre Bildung!
Das Grimme-Institut feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Anlass für den Medienbildungshub, entlang ausgewählter Projekte und Aktivitäten zurückzublicken auf 50 Jahre Bildung in einem Institut, das eben nicht, wie gerne behauptet wird, primär gegründet wurde, um den Adolf-Grimme-Preis zu organisieren.
(zu Teil 1: „Modellversuch im Bildungswesen“ I zu Teil 2: Rundfunkdualismus und neue Medienwelten I zu Teil 3: Von der DVV-Trägerschaft zur gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung)
Teil 4
„Stürmische Zeiten“ und Medienkompetenz in der Breite
2007 bekam das Adolf-Grimme-Institut ein neues Logo. Im Zuge daraus abgeleiteter Diskussionen um „corporate identity“ und „corporate design“, um „Markenkern“ und Zielgruppen wurde aus dem Referat „Bildung“ das Referat „Medienbildung“. Das Ziel blieb das gleiche: Medienkompetenz in möglichst breite Gesellschaftsschichten hineinzutragen.
Dies gelang beispielsweise mit dem „Internet-ABC“, mit dessen Betreuung und Weiterentwicklung das Adolf-Grimme-Institut 2005 erstmalig vom Betreiberverein (Internet-ABC e.V.) beauftragt wurde. Die Onlineplattform wendete sich an drei unterschiedliche Zielgruppen: Kinder von 5-12 Jahren, Eltern und Lehrkräfte bzw. Pädagog*innen. Sie lieferte Basiswissen zum sicheren Einstieg von Kindern ins Internet, hielt zielgruppenspezifisch aufbereitete Informationen und Hilfestellungen bereit und war werbefrei. Kinder konnten beim Internet-ABC in einem geschützten Bereich ausprobieren und lernen, wie das Internet funktioniert, wie sie sich die Potenziale des Netzes zunutze machen und sicher surfen können. Damit stärkte das Internet-ABC die Internetkompetenzen der Nutzerinnen und Nutzer und bot ihnen Orientierung – und wurde dafür, neben weiteren Auszeichnungen, 2012 mit dem King-Hamad-bin-Isa-Al-Khalifa-Preis der UNESCO ausgezeichnet. Seit Januar 2021 wird das Projekt vom Verein weitergeführt.
Eines der reichweitenstärksten Projekte der Grimme Medienbildung startete 2007 mit der „Initiative Eltern+Medien“. Das „Qualifizierungs- und Veranstaltungsprojekt zur aktuellen Vermittlung von Medienkompetenz“, wie es in der offiziellen Beantragung hieß, wurde im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW konzipiert und organisiert. Es richtete sich an Kindergärten und Kitas, Schulen, Familienzentren und Elternvereine mit dem Ziel, Informationsveranstaltungen für Eltern zur Mediennutzung ihrer Kinder durchzuführen. Zu diesem Zweck wurden Medienpädagog*innen in ganz Nordrhein-Westfalen aus- und weitergebildet und kostenfrei in Einrichtungen vermittelt. Mit Beginn des Jahres 2020 wurde das Projekt, in dem bis zu diesem Zeitpunkt mehr als 8.000 Informationsveranstaltungen mit mehr als 215.000 Teilnehmenden stattgefunden hatten, der Landesanstalt für Medien NRW überantwortet.
2010 wurde das seit 1997 ebenfalls in Marl ansässige Europäische Zentrum für Medienkompetenz (ecmc) auf das Adolf-Grimme-Institut verschmolzen. In diesem Prozess wurde aus dem „Adolf-Grimme-Institut“ das „Grimme-Institut“. Und auch die Grimme Medienbildung blieb nicht von Veränderung verschont: Weil auch das ecmc den Auftrag hatte, Medienkompetenz auf breiter gesellschaftlicher Ebene zu fördern und sich mit „aktuellen sozialen und technischen Entwicklungen und der Förderung von Kompetenzen im Umgang mit Digitalmedien“ (Selbstbeschreibung) zu befassen, brachte es eine Reihe medienpädagogischer Aktivitäten und Projekte ein. Das zugehörige Referat hieß übergangsweise etwas sperrig „Grimme Medienbildung & Medienkompetenz“. 2016 wurde aus ihm der Arbeitsbereich „Grimme Medienbildung“.
Während das ecmc Projekte wie das 1998 gestartete Medienkompetenz-Netzwerk NRW „mekonet“ als „zentrales Informationsportal und Serviceangebot für Multiplikator*innen und Interessierte zur Förderung von Medienkompetenz und Medienbildung in Nordrhein-Westfalen“ oder den „Tag der Medienkompetenz im Landtag NRW“ als Großveranstaltung mitbrachte, erarbeitete die Grimme Medienbildung mit den „Tele-Visionen“ eine Weiterentwicklung der „Bildbox für Millionen“. 2011 erschien die DVD, die mit über 100 TV-Ausschnitten, vielen Fotos, mit umfangreichen Texten und Hintergrundinformationen sowie einem detaillierten Zeitstrahl eine vielschichtige Darstellung der komplexen deutsch-deutschen Fernsehgeschichte bot und sie in Relation zu politischen, ökonomischen und zeithistorischen Ereignissen ab 1945 setzte. Ein eigener Bereich „Tele-Didaktik“ lieferte Materialien für den Unterricht und zur Vermittlung von Medienkompetenz. Das erneut im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung entwickelte Angebot richtete sich aber nicht nur an Lehrer*innen, Journalist*innen sowie Vertreter*innen aus dem außerschulischen Bildungsbereich, sondern auch direkt an interessierte Bürger*innen.
2012 bereicherte das Peer-to-Peer-Projekt „Medienscouts NRW“ das Portfolio der Grimme Medienbildung. Hier wurden im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW Jugendliche darauf vorbereitet, Gleichaltrigen Sicherheit im sinnvollen Umgang mit dem Internet, sozialen Netzwerken, Computerspielen, Handys und anderem mehr zu vermitteln und ihre diesbezüglichen Fragen zu beantworten. Das Grimme-Institut qualifizierte auch hier – wie bereits in der Initiative Eltern+Medien – medienpädagogische Referent*innen und organisierte Workshops, in denen Schüler*innen und Lehrkräfte gemeinsam geschult wurden. Zu den vermittelten Kenntnissen gehörten nicht nur das eigentliche themenspezifische Fachwissen, sondern auch Kommunikationstraining, Beratungskompetenz und soziales Lernen. Das Projekt erreichte in der Betreuung durch die Grimme Medienbildung fast 90% der Kommunen in NRW. Ende 2017 zog sich das Institut aus dem Projekt zurück.
Schon seit 2014 widmet das Institut sich zudem einem Thema, das bis heute nichts an Brisanz verloren hat: der Hassrede im Netz. Was mit dem EU-Projekt „BRICkS – Building Respect on the Internet by Combating Hate Speech“ als Kooperation der Grimme Akademie mit der Grimme Medienbildung begann, zieht sich wie ein roter Faden durch die Institutsarbeit. Auch das artverwandte Thema Fake News wird bei Grimme kontinuierlich bearbeitet – zuletzt mit in der Grimme Akademie entwickelten Lehr- und Lernmaterialien im Projekt „DINA Digitale Informations- und Nachrichtenkompetenz aktivieren“, zuvor mit für die politische Jugendbildung des DVV entwickelten Modulboxen.
Ab 2016 beteiligte sich die Grimme Medienbildung erfolgreich an den Förderrunden des Grimme-Forschungskollegs an der Universität zu Köln und brachte zahlreiche Forschungsprojekte an der Schnittstelle von Forschung und Praxistransfer auf den Weg. In diesem Kontext erschienen diverse wissenschaftliche Publikationen unter anderem im Rahmen der Schriftenreihe Digitale Gesellschaft NRW, von denen gleich die erste prägend für die Arbeit der nächsten Jahre sein sollte: Mit dem Band „Spielend lernen! Computerspiele(n) in Schule und Unterricht“ positionierte sich das Grimme-Institut zur Bedeutung insb. auch kommerzieller Computerspiele für Bildungsprozesse. In der Folge konnte die Grimme Medienbildung mit dem Angebot „Grimme Game“ den bundesdeutschen Diskurs um digitale Spiele entscheidend mitprägen, indem sie gesellschaftliche, kulturelle und medienpädagogische Perspektiven auf das Kulturgut digitale Spiele bündelte, verschiedene Themengebiete auffächerte und ein wissenschaftliches und medienpädagogisches Netzwerk aufbaute.
Nach der eher bundesdeutschen Ausrichtung mit Grimme Game rückten mit dem bereits achten „Tag der Medienkompetenz im Landtag NRW“ (2020) die medienpädagogischen Akteure Nordrhein-Westfalens erneut in den Fokus der Grimme Medienbildung. Der TdM2020 fand angesichts der Corona-Pandemie als Digitalkonferenz unter dem Motto „A Better Tomorrow – Visionen für eine digitalisierte Gesellschaft“ statt. Die Veranstaltung wurde realisiert als Livestream mit „analogem Anker“ im Landtag NRW. Den schwierigen Voraussetzungen zum Trotz konnten insgesamt 100 Institutionen in ganz NRW für eine Zusammenarbeit gewonnen werden. Im Zentrum der Veranstaltung standen der #DigitalCheckNRW als ein zentrales Angebot der Landesregierung zur Förderung von Medienkompetenz und ein „digitales Town Hall Meeting“ mit den medienpolitischen Sprechern der Fraktionen. Danach fanden dezentral organisiert sieben parallele Themenforen zu unterschiedlichsten Schwerpunktthemen und 53 Angebote in einer „digitalen Ausstellung“ statt, davon 29 als partizipative Live-Angebote.
Aktuell bündelt die Grimme Medienbildung ihre Aktivitäten im Medienbildungshub, für den auch diese kurze Zeitreise entstand. Das Angebot versteht sich als Schnittstellen- und Diskursplattform, die tagesaktuell eine redaktionell betreute Auswahl der öffentlichen Diskussion zur Medienbildung strukturiert und zugänglich macht, in ausführlicheren Artikeln Themen aufgreift, die aus Grimme-Perspektive von längerfristiger Relevanz sind, sowie die (medien-)bildungsrelevanten Aspekte der Arbeit des Grimme-Instituts in seinen unterschiedlichen Bereichen bündelt und sicht- und nutzbar macht. Zielgruppen sind Multiplikator*innen der Medienbildung, Verbände, Träger und Institutionen im Bereich Bildung und Medienbildung sowie alle, die sich für Bildung und Medien interessieren.